Optimale Nutzung von Synergieeffekten der Trinkwasserversorgung bei hoher Fallhöhe

Saubere Energie aus Trinkwasser für die Stadt Mittersill

Nach einer notwendig gewordenen Sanierung der alten Trinkwasserleitungen von den Quellgebieten zum Hochbehälter und 13 Jahren Vorlaufzeit wurden 2021 die Trinkwasserkraftwerke Lachalmquelle und Hocheckquellen durch die Stadtgemeinde Mittersill im Salzburger Pinzgau errichtet. Diese erzeugen nun jährlich etwa 1,45 GWh Ökoenergie und versorgen damit rund 300 Haushalte. 

 

Der Weg zum Baubeginn 

 

Die Trinkwasserversorgung der Stadtgemeinde Mittersill stammt zu einem großen Teil aus den Quellen Reiterberg, Marchkendl, Hocheck und Lachalm. Diese befinden sich am Nordhang der Hohen Tauern und sind zwischen dem Felbertal und dem Hollersbachtal eingebettet. Das gesammelte Trinkwasser wird zu einem Hochbehälter im Bürgerwald Mittersill geleitet. Die ältesten Rohrleitungen stammten aus den frühen 1960er Jahren und hatten bereits das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Reparaturen an den Leitungen waren immer öfter notwendig geworden, weshalb 2008 ein Sanierungsprojekt ausgearbeitet wurde. Da die größte der vier Quellen auf einer Seehöhe von 1725m gefasst wird und somit eine Bruttofallhöhe von ca. 870m zum Hochbehälter aufweist, wurde das immense Potenzial erkannt und eine energetische Nutzung in die Planung mit aufgenommen. Die wasserrechtliche Bewilligung konnte 2014 erwirkt werden, aufgrund der damals herrschenden Preissituation am Energiemarkt wurde das Projekt aber hintenangestellt und erst 2020 wieder aufgegriffen. Nach den Planungs- und Ausschreibungsarbeiten durch das Ingenieurbüro Patscheider & Partner GmbH aus Schwaz konnte im Februar 2021 mit der Umsetzung begonnen werden. Bei der Auftragsvergabe durch die Stadtgemeinde wurde das Hauptaugenmerk auf die lokale Wertschöpfungskette gerichtet. Dank des vorhandenen Know-hows in der Region konnte ein Großteil der Aufträge an ansässige Unternehmen vergeben werden. 

 

 Rohrverlegung und Kraftwerksbau 

 

Es wurden insgesamt 12km neue Rohrleitungen aus duktilem Guss (eine Gusseisensorte die Kugelgraphit enthält und stahlähnliche mechanische Eigenschaften besitzt) des Haller Rohrspezialisten Tiroler Rohre GmbH verlegt und drei neue Quellsammelschächte in Fertigteilbauweise des Behälterbauspezialisten Schlosserei Harasser GmbH aus Saalfelden eingebaut. Darüber hinaus wurde ein Krafthaus in Massivbauweise oberhalb des Hochbehälters durch die Mittersiller Empl Bau GmbH errichtet. Jede der vier Quellableitungen wurde einzeln in einer gemeinsam genutzten Rohrkünette zum Krafthaus geführt, um bei einem Ausfall einer Quelle die Versorgungssicherheit durch die anderen Leitungen sicherstellen zu können. Die Bauarbeiten zur Leitungsverlegung teilten sich die Pinzgauer Baufirmen Empl Bau GmbH und HV Bau GmbH. Trotz des engen Zeitplans und der schwierigen geologischen Verhältnisse wurden die Arbeiten von den beiden Firmen hervorragend gemeistert. Insgesamt konnte die 5,5km lange Trasse in nur fünf Monaten Bauzeit fertiggestellt werden, parallel dazu wurde das Krafthaus sowie die notwendige Verrohrung zum Hochbehälter auf 855m errichtet.  

Stromgewinnung durch Pelton-Freistrahlturbinen 

 

Im Krafthaus sind die beiden Maschinensätze sowie die Elektro- und Steuerungstechnischen Einrichtungen untergebracht. Die Pelton-Turbinen des Osttiroler Turbinenbauspezialisten Maschinenbau Unterlercher GmbH werden unabhängig voneinander von den Hocheck- sowie Lachalmquellen gespeist. Alle wasserberührten Bauteile sind aus lebensmittelechtem Edelstahl gefertigt und für die hohen Druckverhältnisse ausgelegt. Das abgearbeitete Trinkwasser wird unter den Turbinen im Edelstahlbecken gesammelt und zum Hochbehälter geleitet, von wo aus es in das Trinkwassernetz eingespeist und zu den angeschlossenen Verbrauchern geleitet wird.  
Das Kraftwerk Lachalmquelle ist als 2-Düsige Pelton-Freistrahlturbine mit Drehstrom-Synchrongenerator ausgeführt und erreicht bei einem Nenndurchfluss von 40l/s und Bruttofallhöhe von 870m eine Engpassleistung von 255kW. Die Anlage Hocheckquellen ist 1-Düsig mit Asynchrongenerator aufgebaut und erreicht bei 12l/s und 540m Fallhöhe eine Spitzenleistung von 50kW. Beide Maschinen sind mit einem automatischem Bypass-System ausgestattet, um auch bei Anlagenstillstand das Trinkwasser aus der Druckrohrleitung zum Hochbehälter weiterleiten zu können. 

Elektro- und Steuerungstechnische Ausstattung 

 

Die Elektro- sowie Steuerungstechnische Ausstattung für die Gesamtanlage wurde durch die Firma SalzachSonne GmbH aus Neukirchen am Großvenediger, welche unter anderem auf die Modernisierung und Neuausstattung von Kleinwasserkraftanlagen spezialisiert ist, ausgeführt. Die Herausforderungen lagen wiederrum am engen Zeitplan sowie an der Komplexität der Anlage. Neben der Kraftwerksleittechnik wurde auch in den Quellsammelschächten sowie in den Hochbehältern moderne Mess- und Regeltechnik zum Monitoring der Trinkwasserversorgung und zur Überwachung der Trinkwasserqualität installiert. Des Weiteren wurde im Zuge der Bauarbeiten ein Versorgungsnetz für die umliegenden Almen aufgebaut, um diese mit elektrischer Energie versorgen zu können und somit den Einsatz fossiler Treibstoffe zu reduzieren. Das Leitsystem der SalzachSonne GmbH, bestehend aus modernen Steuerungs- und Visualisierungssystemen, bietet neben der Vollautomatisierung aller Anlagenteile die Möglichkeit zur Echtzeitüberwachung. Somit können im Ereignisfall die zuständigen Personen benachrichtigt werden, die Anlage kann aus der Ferne kontrolliert und bedient werden. Um auch im Falle eines Netzausfalls die Trinkwasserversorgung der Mittersiller Bürger*innen gewährleisten zu können, wurde der größere Maschinensatz sowie die Eigenbedarfsversorgung inselbetriebsfähig ausgeführt. Somit wird ermöglicht, dass die Anlage sich selbst sowie andere systemrelevante Bereiche der Trinkwasserversorgung autark versorgt. Mitte November 2021 wurden beide Maschinensätze erfolgreich in Betrieb gesetzt, die gewonnene elektrische Energie wird seither in das öffentliche Netz eingespeist. In Zukunft wird von der Stadtgemeinde Mittersill die Errichtung einer Energiegemeinschaft angestrebt, schon heute übersteigen die Trinkwasserkraftwerke Lachalm- und Hocheckquellen sowie mehrere von der Stadtgemeinde betriebene Photovoltaikanlagen rechnerisch den notwendigen Energiebedarf.  

Das Trinkwasserkraftwerk zählt mit einer Gesamtinvestitionssumme von ca. 3,65 Mio. Euro zu einem der größeren Projekte der Stadtgemeinde Mittersill in den letzten Jahren, rund 1/3 der Investition entfällt dabei auf die Kraftwerksanlagen und 2/3 auf die Trinkwasserversorgung. Angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem Energiemarkt und der genutzten Synergieeffekte erweist sich dieses Projekt nicht nur als sehr nachhaltig, sondern auch als wichtiger Schritt in Richtung grüne Energiezukunft.