Mit dem Konstrukteur des eco² Denilpasses im Gespräch über Ökologie, Technik und Erfindergeis

Georg Seidl

Georg Seidl steht wie kein anderer für die erfolgreichen Verknüpfung von Technik und Ökologie in der Kleinwasserkraft

Wie viele Planer aus der Branche, haben Sie die Universität für Bodenkultur absolviert. Wie kamen Sie auf das Studium? 

Ursprünglich wollte ich Biologie mit dem Schwerpunkt Ökologie studieren, aber nach einem Semester wurde ich über ehemalige Schulkollegen auf das Studium Kulturtechnik und Wasserwirtschaft aufmerksam und stieg quer in das Sommersemester 2004 ein.

 

In diesem Semester wurde Hydrobiologie gelesen, ebenso fand der Lunzkurs (Hydrobiologie-Übungen) statt, diese Vorlesungen haben mich überzeugt. Bereits damals ließ Professor Jungwirth anklingen, dass angewandte Hydrobiologie nur als Verbund aus Ökologie und Technik zu verstehen ist.

 

Wenngleich mich diese Aussage zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich überzeugen konnte, muss ich sie mir heute immer wieder mit einem Schmunzeln in Erinnerung rufen. Nicht nur im Themenfeld der Fischaufstiegshilfen, sondern vielmehr in der gesamten aquatischen Ökologie dienen hydraulische Parameter zur Analyse und Beurteilung von ökologischen Maßnahmen. 

 

Bevor Sie sich mit der Firma „flusslauf“ selbstständig gemacht haben, arbeiteten Sie unter anderem beim ÖWAV und als Projektleiter bei InterTechno Engineering. Wie wichtig waren diese unterschiedlichen Erfahrungen für Sie? 

Wir sind doch alle das Summenprodukt unserer Vergangenheit. Dem ÖWAV bin ich wirklich dankbar für die schöne Zeit und den Einblick in das Netzwerk der Wasserwirtschaft.

 

Ohne Zweifel wurden in der Zeit im Planungsbüro die Grundsteine für die Selbstständigkeit gelegt.

 

Aus meiner Sicht stellt die Arbeit in einem Planungsbüro eine absolut wichtige und notwendige Erfahrung dar, um das Handwerk des Ingenieurwesens überhaupt erst umsetzen zu können.

 

Da kann man die Möglichkeit, sein Berufsleben in einem kleinen Büro mit hoher Fachkompetenz beginnen zu dürfen, nicht genug wertschätzen. 

 

Mit dem modifizierten eco² Denilpass haben sie einen fast vergessenen Fischaufstieg auf den Stand der Technik gehoben. Wie sind sie auf die Idee gekommen, diesen Typen zu modernisieren? 

Denil-Fischpässe stellen im deutschsprachigen Raum den wohl verpöntesten Bautyp aller Fischpassvarianten dar. An der Universität konnte man ja beinahe den Eindruck erhalten, als hätte nie ein Fisch das System erfolgreich passieren können. Tatsächlich wurde dieser Bautyp zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Gustav Denil, einem großartigen belgischen Ingenieur, für den ich heute bei jeder Gelegenheit eine Lanze breche, entwickelt, um Lachsen die Wanderung über eine Wehranlage an der Maas zu ermöglichen. Denil hatte dabei einen Gegenstrompass konzipiert, welcher bei einer Neigung von 60% (!) dieser Zielsetzung gerecht wurde. Da sich im Laufe der Zeit die ökologischen Anforderungen verschärft haben und gegenwärtig die Passierbarkeit auch für Kleinfische eine bedeutende Rolle spielt, war die Funktionalität von Denilpässen nur unzureichend. Begeistert hat mich aber letztendlich der hydraulische Mechanismus, welcher diesem Fischpasstyp zu Grunde liegt: Nämlich trotz hohem Gefälle ein moderates Fließgeschwindigkeitsfeld im System zu erwirken. Nun, mich hielten und halten viele für verrückt, weil ich mich dieser antiquierten Systemlösung wieder angenommen habe und die haben damit gar nicht so unrecht. Denn retrospektiv betrachtet ist die Versagenswahrscheinlichkeit für ein Denilsystem, welches unseren gegenwärtigen ökologischen Zielsetzungen gerecht werden muss, deutlich höher als die Erfolgsaussicht.

 

Ich muss ganz klar sagen, dass ich, als wir im Jahr 2016 erste Untersuchungen am modifizierten Denilpass starteten, nicht abschätzen konnte, auf was ich mich da eingelassen habe und da war wohl auch eine ganz ordentliche Portion Glück dabei: Glück zu Beginn die richtigen Annahmen aus dem Bauch heraus zu treffen, Glück einer umfassenden Unterstützung von unterschiedlichen Seiten, hier möchte ich mich auch beim Verein Kleinwasserkraft bedanken, und Glück mit einer ausgesprochen guten Universität, der TU Graz, zusammenarbeiten zu können. 

 

Sie haben bereits zweimal den Staatspreis für „Ingenieurconsulting“ erhalten. Zum einen für den eco² Denilpass, und bereits davor für Ihren Fischlift. Wie viel Erfindergeist steckt noch in Ihnen? 

Der geht mittlerweile gegen Null. Wir arbeiten nun seit über 6 Jahren am Denilpass, wir haben den Fischpass in unzähligen Messkampagnen in Labor und Feld auf den Prüfstand gestellt, erst heuer die Lamellengeometrie, auf Basis langwieriger Untersuchungen im Labor, vollkommen neu ausgelegt und haben nun ein optimiertes, wassersparendes Setup, welches sich gegenwärtig auch biotisch an 4 Versuchsanlagen tadellos bewährt. Letztendlich war die Entwicklung dieser Fischaufstiegshilfe mit einer unglaublichen zeitlichen, finanziellen und vor allem nervlichen Beanspruchung verbunden. Andererseits wäre es ja auch gelacht, wenn es so einfach wäre die seit jeher kostengünstigste und flächeneffizienteste Fischpassvariante, praktisch im Handumdrehen neu und mit hoher ökologischer Funktionalität aufzulegen. Also schwingt neben der Erschöpfung schon auch eine ordentliche Portion Freude mit, denn die biotischen Ergebnisse sind durchwegs beeindruckend gut. Wenngleich natürlich noch einige Ideen in mir schlummern, hoffe ich, dass ich mit Ende des Jahres, in Zufriedenheit, die Finger von weiteren Experimenten am modifizierten Denilpass lasse -möge die Vernunft siegen… 

 

Für was schlägt Ihr Herz mehr: für die Ökologie oder die Technik? 

Da kann ich mich jetzt nicht winden, es ist ganz klar die Ökologie. Das Zusammenspiel von Lebewesen auf unserem Planeten ist von derartig bestechender Brillanz, dass wir da mit unseren bescheidenen Werkzeugen nicht annähernd hinkommen. Aber der Versuch, diese Mechanismen abzubilden oder näherungsweise zu beschreiben, liefert schon ein prächtiges Arbeitsfeld. Dinge technisch auszulegen und biotisch zu beproben ist wirklich spannend. Die Biologie ist jedoch nicht vergleichbar mit einem statisch bestimmten Brückentragwerk und wird sich wohl nie in Formeln gießen lassen.